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Secondhand-Boom in Herten: „Viele kommen täglich“ – Leiterin des DRK-Ladens erklärt den Grund

Gabriele van der Poel (62) zeigt eine Damenbluse: Gerade mal 4 Euro kostet das gute Stück im Second-Hand-Laden des DRK Herten. Solche Kleidungspreise sind für viele Menschen derzeit verlockend. Foto: Oliver Prause
Das DRK-Geschäft „Sitzt & passt“ befindet sich an der Ecke Antoniusstraße/Ewaldstraße in der Fußgängerzone von Herten-Mitte. Foto: Oliver Prause

In der Krise schnüren viele Hertener den Gürtel enger – auch bei Kleidung wird gespart. Gleichzeitig klingelt im Secondhand-Laden des DRK rund um die Uhr die Kasse. Was ist der Grund dafür?

Über einen Mangel an Arbeit können sich Gabriele van der Poel und ihr Team wirklich nicht beschweren. Kaum hat die Leiterin von „Sitzt & passt“ – so der offizielle Name des Geschäfts an der Antoniusstraße 22 – am Morgen die Eingangstür geöffnet, strömen draußen wartende Menschen in Scharen herein.

Vor allem die zahlreichen Kleiderständer sind sofort umlagert: Hier gibt es alles, was das Shopping-Herz begehrt – und das vor allem viel günstiger als in anderen Modeläden. Ware aus zweiter Hand heißt aber nicht automatisch minderwertige Qualität – ganz im Gegenteil.

Jedes einzelne Teil, das das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Herten von Zulieferern oder Privatleuten bekommt, wird einer genauen Kontrolle unterzogen und natürlich aufwendig gereinigt. Auch den strengen Augen der Mitarbeiterinnen vor Ort entgeht beim Einräumen nichts. Daher wandern wirklich nur Waren in einwandfreiem Zustand in den Verkauf.

Secondhand-Laden hat auch Marken im Sortiment

„Wir haben auch Marken im Sortiment“, betont Gabriele van der Poel, nicht ohne Stolz. Sie zählt einige davon auf: „Cecil, Betty Barclay, Rabe, Toni Dress Hosen … Sogar Neuware bekommen wir von einer speziellen Handelskette geliefert“, erklärt die Geschäftsleiterin, die seit Tag eins bei „Sitzt & passt“ an Bord ist.

Die Erfolgsgeschichte in der Hertener Innenstadt beginnt am 6. Dezember 2019. Das Eröffnungsdatum scheint in der Rückschau fast aus einer anderen Epoche zu stammen: Von Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg oder Energie-Krise war zu der Zeit noch keine Rede.

Aber bereits vor drei Jahren war das Thema „Secondhand“ voll angesagt: Denn warum gut erhaltene Kleidung oder Schuhe, aus denen man selbst herausgewachsen ist, einfach wegwerfen – wenn sich andere Menschen noch daran erfreuen können? Dieser Nachhaltigkeitsgedanke zog viele Hertenerinnen und Hertener – aber auch Menschen aus Nachbarstädten – schon damals in den Laden.

Viele Stammkunden aus Herten und Umgebung

Viele davon sind längst zu Stammkunden geworden. Sie leben bei ihren Besuchen das Motto auf den Schildern „Sitzt & Passt“: Da heißt es nämlich „Mode von Mensch zu Mensch“.

Der Austausch mit ihren treuen Gästen ist auch Gabriele van der Poel sehr wichtig. Das geht über die reine Beratungstätigkeit in Sachen Mode weit hinaus. Auch über Zwischenmenschliches wird zwischen Wintermänteln, Pullovern, Lederschuhen und Schmuck-Accessoires angeregt diskutiert – besonders in diesen schweren Zeiten. „Die Arbeit macht immer noch sehr viel Spaß“, sagt die 62-Jährige, die zuvor rund zehn Jahre im Pflegezentrum am Schlosspark tätig war.

Eine bunte Mischung an Besuchern

Ihre Klientel ist breit gefächert: Vor der Kasse steht das betagte Rentner-Ehepaar hinter der jungen deutschen Mutter mit Kinderwagen an, die wiederum die ukrainische Flüchtlingsfamilie vor sich hat. Eines wird durch diese bunte Mischung deutlich: Das Interesse an Secondhand zieht sich durch die ganze Gesellschaft – und längst nicht nur Geringverdiener greifen heutzutage zu Mode aus zweiter Hand.

Trotzdem müssen manche Kunden weiterhin eine Hemmschwelle überwinden. Mit uns über die individuellen Beweggründe für den Gang zu „Sitzt & Passt“ reden – geschweige denn fotografiert oder gefilmt werden – möchte an diesem Morgen jedenfalls niemand.

Gegenüber Gabriele van der Poel und ihren Kolleginnen sind die Menschen offener: „Wir haben sehr nette Stammkunden, die eigentlich täglich kommen, wenn geöffnet ist.“ Dienstags und freitags von 10 bis 17.30 Uhr sowie samstags von 10 bis 14 Uhr kann in dem DRK-Geschäft nach Herzenslust geshoppt werden.

Trotz des großen Andrangs geht der Bestand nicht zur Neige: „An Ware habe ich immer noch genug, bekomme auch regelmäßig etwas nachgeliefert“, sagt Gabriele van der Poel. Neben ihr arbeiten neun ehrenamtliche Frauen bei „Sitzt & passt“. „Ohne die geht es bei dem Zulauf nicht“, betont die Leiterin und deutet auf die stetig anwachsende Schlange vor der Kasse. Man sieht: Secondhand ist auch in Herten „in“ – und das dürfte auch über die Krise hinaus so bleiben.

Quelle: Recklinghäuser Zeitung