· Archiv 2019

Jeder Anruf ist wichtig

Kevin Rybaczyk ist seit dem 1. Januar 2016 Leitstellenleiter in Herten. Weil er seit seinem siebten Lebensjahr sämtliche Stationen beim DRK durchlaufen hat, kennt er das operative Geschäft aus dem Effeff. Außerdem bringt er IT-Wissen mit, hat jeden Monitor selbst aufgebaut und weiß, wie jeder Knopf funktioniert. Foto: Sara Drees

„Guten Tag, hier spricht die Hausnotrufzentrale!“ – Bei dieser Ansage wurde irgendwo in Herten oder dem weiteren Einzugsgebiet der DRK Serviceleitstelle West ein Notruf ausgelöst. An der Gartenstraße 56 klingelt rund um die Uhr das Telefon.

Die Teilnehmerin, die Kevin Rybaczyk gerade am Hörer hat, ist eigentlich nur irrtümlich an ihr Sendegerät gekommen. „Fehlalarme gehen hier dauernd ein“, weiß der Leitstellenleiter. Oft wird der Knopf am Arm- oder Halsband betätigt, ohne dass der Betroffene es überhaupt merkt. Trotzdem fragt er noch einmal nach, ob auch wirklich alles in Ordnung sei. „Denn der zweite Satz kann entscheidend sein“, erklärt er das Prozedere. Nicht selten würden die Senioren ihr Problem erst nach wiederholter Nachfrage zur Sprache bringen. „Naja, mit 92 Jahren hat man so seine Problemchen“, scherzt die Dame am anderen Ende der Leitung. Bei so viel Humor kann der erfahrene Helfer das Gespräch nach kurzer Zeit freundlich und beruhigt beenden.

61.500 Hausnotrufstationen

Das ist aber nicht immer so. Die Krankheitsbilder in der Datenbank machen schnell klar: Von den 61.500 Hausnotrufstationen, die auf den Servern der größten DRK Zentrale in Deutschland aufgeschaltet sind, haben viele eine Vorgeschichte: Regelmäßige Medikamente, Krankheiten, Stürze, körperliche Beeinträchtigungen, Diabetes, Schlaganfälle und vieles mehr stehen dort vermerkt. Auf einen Blick sehen die Mitarbeiter, wer anruft, von wo, mit welchem Hintergrund und welche Kontaktpersonen im Ernstfall zur Verfügung stehen. Selbst, wenn der Teilnehmer nicht mehr sprechen kann, sind alle notwendigen Daten für eine qualifizierte Notrufbearbeitung vorhanden. Ist die Schwere des Falls erst einmal eingegrenzt, können anschließend erforderliche Hilfsmaßnahmen eingeleitet werden. Geht es beispielsweise nur darum, einem Menschen beim Aufrichten zu helfen, können eventuell Angehörige oder Nachbarn helfen, die als Kontaktpersonen gemeldet sind. Bei gesundheitlichen Problemen kommen ein Hausbesuch des Hausarzts oder der ärztliche Notdienst in Frage. Bei ganz akuten Fällen muss auf kürzestem Wege der Rettungsdienst verständigt werden.

Oft sind es jedoch die vermeintlich kleinen Probleme, bei denen das DRK-Team unmittelbar helfen kann. So wie bei einer Rentnerin, die wegen eines Stromausfalls im Dunkeln zu Hause sitzt. „Die Tochter ist auf Kreuzfahrt und der Hausmeister fühlt sich nicht zuständig“, weiß Rybaczyk bereits aus vorangegangen Gesprächen mit dem Kollegen. Eigentlich kein regulärer Fall für den eigenen Fahrdienst, der übrigens auch keine typischen Pflegetätigkeiten übernehmen darf. „Aber bevor die Frau den ganzen Tag ohne Licht auskommen muss und dadurch eventuell noch stürzt, können wir vorsichtshalber mal checken, ob vielleicht nur eine Sicherung rausgesprungen ist“, erklärt der erfahrene Helfer den Präventiveinsatz.

Menschen brauchen Sicherheit

„Viele Menschen brauchen nur die Sicherheit, dass wir da sind, oder möchten einfach mal ein kurzes Gespräch in ihrem einsamen Alltag führen.“ Für das kleine Lächeln auf dem Gesicht werden in der Zentrale beispielsweise auch die Geburtstage der Teilnehmer angezeigt. „Es läuten nämlich sehr viele Menschen ganz zufällig an ihren Geburtstag.“

Selbst wenn es nur Alltagsschwierigkeiten sind, der DRK Hausnotrufdienst folgt stets dem Grundsatz, alles möglich zu machen, um Menschen das selbstbestimmte Leben im eigenen Zuhause zu verlängern. „Nur weil die Oma öfter mal fällt oder Hilfe beim Toilettengang benötigt, muss sie nicht sofort ins Altersheim“, weiß Rybaczyk, dass durch das enge Netzwerk von ambulanter Pflege, Rettungsdienst und Dienstleistungen wie dem Essensservice nicht alles, aber viel möglich ist. Das hilft nicht nur den Betroffenen, sondern auch den Angehörigen. Bevor er den Dienst an diesem Tag beendet – zehn Stunden leisten die Mitarbeiter am Telefon pro Schicht – schließt er noch seinen letzten Fall ab. „Wir kriegen das hin, die Hilfe ist schon unterwegs. Noch einen schönen Tag!“ Die Hertener Geschäftsstelle an der Gartenstraße ist nicht nur Hausnotrufzentrale, sondern auch Anlaufstelle für den Kreis, Kleiderstelle, Anbieter von Erste-Hilfe-Kurse usw., außerdem werden von hier aus medizinische Transportdienste für die Krankenhäuser im Kreis (OP-Material, Blutkonserven u.a.) gefahren.

Hintergrund:

  • In der größten DRK Hausnotrufzentrale Deutschlands gehen nicht nur die Notrufe aus Herten und dem Kreis Recklinghausen ein, sondern auch beispielsweise aus Bochum, Kassel, Stuttgart oder Wiesbaden.
  • An bis zu fünf Leitstellenarbeitsplätzen nehmen die Mitarbeiter rund um die Uhr im Schichtdienst die Notrufe entgegen. Alle Mitarbeiter – das Team besteht aktuell aus 12 Leuten – sind rettungsdienstlich ausgebildet und können durch Fachwissen mit nur wenigen Infos Notsituationen bewerten und entsprechende Hilfe leisten.
  • Neben den aktiven Funkeingängen werden die Geräte auch passiv ununterbrochen überwacht.
  • Unterschieden wird beim Hausnotrufdienst zwischen Grundleistungen per Telefonservice und Zusatzleistungen vor Ort (Schlüsselservice). Die Grundleistungen werden bei einer Pflegestufe 1 von der Krankenkasse übernommen. Infos unter www.drk-herten.de.

Quelle: StadtSpiegel Herten