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Jeden Tag hunderte PCR-Tests: Haus und Praxis zerbombt – Jetzt nimmt Yousef Al Hariri PCR-Abstriche.

In voller Schutzmontur im Einsatz: Yousef Al Hariri macht in Recklinghausen Abstriche für PCR-Tests. Foto: Jörg Gutzeit

Unermüdlich nehmen viele Helfer Tag für Tag in den Testzentren der Stadt Corona-Abstriche ab. Doch wer verbirgt sich eigentlich hinter den Schutzanzügen, Masken und Gesichts-Schilden?

Außer den leicht zusammengekniffenen braunen Augen, die offensichtlich ein Lächeln andeuten, und der stattlichen Statur ist von Yousef Al Hariri in seinem aktuellen Berufsalltag nichts zu erkennen. Der Ganzkörper-Schutzanzug reicht von den Fußknöcheln bis über den Kopf. Sein Gesicht ist zum Großteil überdeckt von einer FFP2-Maske und dem darüber sitzenden „Face-Shield“ (Gesichts-Schild). Die Hände stecken in blauen, medizinischen Handschuhen. In dieser Montur nimmt der 32-Jährige PCR-Abstriche im Drive-in-Testzentrum an der Kölner Straße 20 vor.

„Ich bin Zahnarzt“, sagt der gebürtige Syrer und lächelt. Doch anstatt Patienten in einer Praxis auf Karies und Parodontose zu untersuchen, steht der Recklinghäuser an diesem Vormittag in weißer Kluft vor einer Autoschlange in der Kälte und steckt den Insassen ein langes Stäbchen in Mund und Nase. Warum?

Approbationsverfahren läuft seit zwei Jahren

„Ich warte darauf, dass meine Approbation genehmigt wird und ich hier in Deutschland eine neue Praxis eröffnen darf.“ Die Approbation ist die staatliche Zulassung, die benötigt wird, um den Beruf selbstständig ausüben zu dürfen. „Mein Genehmigungsverfahren läuft seit 2019. Zwei Jahre kann das wohl dauern“, so Al Hariri. Völlig untätig möchte der 32-Jährige während der Wartezeit nicht sein. „Ich möchte den Menschen hier etwas zurückgeben und helfen, wo es möglich ist. Das tut mir nicht weh und in der Pandemie kann man doch jede helfende Hand gebrauchen.“

Der PCR-Tester hat in Aleppo Zahnmedizin studiert und im Anschluss zwei Jahre als Assistenzarzt im Bereich der Kieferchirurgie gearbeitet. Die vollständige Ausbildung zum Kieferchirurgen dauert fünf bis sechs Jahre. „Leider habe ich bislang nur zwei Jahre davon absolvieren können. Dann sind mein Haus und meine Praxis in meiner Heimatstadt Daraa von einer Bombe zerstört worden.“

Sprachkenntnisse liegen auf muttersprachlichem Niveau

Im Jahr 2015 schloss sich Yousef Al Hariri der großen Flüchtlingswelle an und verließ seine Eltern und seine Heimat. In Deutschland habe der junge Mann viele Sprachkurse besucht und mit dem höchsten Niveau C2 abgeschlossen. Demnach spricht er Deutsch inzwischen so gut wie seine Muttersprache Arabisch. „Um meinen Beruf ausüben zu können, muss ich sowohl fachsprachlich als auch umgangssprachlich kommunizieren können.“

Heute lebt der Syrer mit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis in Recklinghausen. „Ich hoffe, dass ich die restlichen Jahre als Assistenzarzt hier in einer Praxis fortführen kann.“ Bis es so weit ist, arbeitet der Recklinghäuser im Testzentrum an der Kölner Straße. „Als hauptamtliche Kraft“, wie er betont. „Das ist toll.“ In den Autos, die sich in langer Schlange vor seiner Teststraße aufgestaut haben und fast bis vorne zur Kölner Straße reichen, sitzen Menschen, die hauptsächlich auf Anordnung des Kreisgesundheitsamts gekommen sind. Weil sie Kontakt zu einer positiv getesteten Person hatten und jetzt selbst Symptome entwickelt haben. Es sind die Corona-Verdachtsfälle, denen sich der gebürtige Syrer freiwillig aussetzt.

Tester kann mit Sprachkenntnissen punkten

Al Hariri nimmt mehrere hundert PCR-Tests in der Woche ab und das ausgesprochen höflich, wie man an dieser Stelle betonen muss. Obwohl die Zeit drängt. Drei Minuten sind im Schnitt pro Patient vorgesehen. „Das ist nicht immer zu schaffen. Oft muss ich Fragen beantworten, aufklären oder das weitere Prozedere erläutern.“ Der große Vorteil von Al Hariri: Er spricht neben Arabisch und Deutsch auch Türkisch und Englisch. Mit derart vielen Sprachkenntnissen kann er an der Teststelle durchaus punkten. Angst, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, hat Yousef Al Hariri nicht. „Mit dieser Schutzausrüstung kann nichts mehr passieren.“

Quelle: Recklinghäuser Zeitung