Die Betreiber von drei Corona-Teststellen in Oer-Erkenschwick müssen die Kehrtwende machen. Noch in der vergangenen Woche kündigten Christian Weidensee, der in den Räumen des Hotels Stimbergpark (Am Stimbergpark 78) ein Corona-Testzentrum betreibt, als auch Klaus Skodell, dessen Verein „Club 50plus“ an der Stimbergstaße 115 in Oer-Erkenschwick testet und Ralf Farwick vom DRK-Stadtverband (Agnesstraße 5) an, auch über den 1. Juli hinaus weiterhin kostenlose Corona-Bürgertests anzubieten. Damit ist jetzt Schluss – zumindest vorerst.
Zwang zur Drei-Euro-Gebühr in Oer-Erkenschwicks Teststellen
Zum 30. Juni trat die neue Testverordnung des Bundes in Kraft, nach der Bürger für Corona-Schnelltests in bestimmten Fällen eine Gebühr in Höhe von drei Euro zahlen müssen. Damit wurden die kostenlosen Bürgertests für Menschen ohne Symptome im Grunde ausgesetzt.
Ausnahmen gelten für folgende Gruppen, wie die Bundesregierung auf ihren Internetseiten veröffentlicht:
- Kinder unter fünf Jahren
- Menschen, die aus medizinischen Gründen nicht gegen das Coronavirus geimpft werden können, insbesondere auch Schwangere im ersten Drittel ihrer Schwangerschaft,
- Personen, die aktuell an Studien zu Corona-Impfstoffen teilnehmen oder in den vergangen drei Monaten teilgenommen haben.
- Menschen, die sich aufgrund einer nachgewiesenen Infektion mit dem Coronavirus in Isolierung befinden, wenn die Testung zur Beendigung der Absonderung erforderlich ist,
- Personen, die jemanden in einem Krankenhaus oder einer stationären Pflegeeinrichtung besuchen wollen,
- Menschen, die mit einer infizierten Person im selben Haushalt leben oder gelebt haben,
- Pflegende Angehörige sowie Assistentinnen und Assistenten, die von Menschen mit Behinderungen angestellt sind (im Rahmen eines persönlichen Budgets nach § 29 SGB IX).
Folgende Personengruppen müssen sich mit drei Euro an einem Test beteiligen:
- Menschen, die am selben Tag eine Veranstaltung in Innenräumen besuchen werden
- Personen, die zu einer Person ab 60 Jahren oder einer Person mit einer Vorerkrankung mit einem hohen Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken, am selben Tag Kontakt haben werden,
- Personen, die durch die Corona-Warn-App des Robert Koch-Instituts eine Warnung mit der Statusanzeige „erhöhtes Risiko“ erhalten
Die Teststellenbetreiber waren sich einig: Oer-Erkenschwicker, die sich testen lassen wollen, sollen das auch weiterhin kostenlos machen können. Doch nun erhielten alle drei ein anwaltliches Schreiben, in Auftrag gegeben von einem weiteren Testzentrum in Oer-Erkenschwick. Inhalt: Es wird mit einer Unterlassungsklage gedroht, weil der Gebührenerlass geschäftsschädigend für den vierten Teststellenbetreiber sei. Außerdem wird angekündigt, Kontrolleure schicken zu wollen. Christian Weidensee, Klaus Skodell und Ralf Farwick wollen kein Risiko eingehen, rechtlich belangt zu werden, und nehmen nun die Gebühr von drei Euro. „Wir hatten an einem Tag sieben Personen hier, die tatsächlich bezahlen mussten. Ob damit wirklich das große Geld zu machen ist?“, fragt sich Ralf Farwick.
„Wir hätten die Gebühr wirklich gerne erlassen, aber wir dürfen nicht“, sagt Christian Weidensee. „Das tut mir wirklich sehr Leid. Wir wollten so den Leuten etwas zurückgeben, aber auch unseren Beitrag dazu leisten, die Pandemie in Schach zu halten.“ Denn die Befürchtung steht im Raum, dass sich aufgrund der Gebühren weniger Menschen auf Corona testen lassen. Auch, weil in Zeiten gestiegener Lebenshaltungskosten viele Menschen genau darauf achten müssen, wofür sie ihr Geld ausgeben. „Im Testcenter unseres Vereins lässt sich regelmäßig eine Vielzahl von älteren Bürgerinnen und Bürgern, die mit einer geringen Rente auskommen müssen, testen“, gibt Skodell zu bedenken.
Bescheinigung muss täglich neu ausgefüllt werden
Wer sich von der Gebühr befreien will, weil er zum Beispiel jemanden im Krankenhaus besuchen möchte, hat nun mehrere Möglichkeiten. „Viele Krankenhäuser oder Altenheime halten Vordrucke vor“, erklärt Christian Weidensee.
Dazu erklärt Katharina Spaeth, Pressesprecherin am St.-Vincenz-Krankenhaus in Datteln, das Vorgehen: Krankenhausbesucher müssen sich am Besucherzelt vor dem Eingang mit dem Namen des Patienten anmelden und erhalten ein vorgefertigtes und gestempeltes Formular des Bundesministeriums. „Mit diesem können die Besucher dann kostenlos eine Teststelle aufsuchen“, sagt Spaeth. Erst mit dem negativen Testnachweis ist dann der Besuch im Krankenhaus möglich. Eine Bescheinigung für den nächsten Tag können die Mitarbeiter am Krankenhaus nicht ausstellen. Die Besucher müssen also täglich aufs Neue erst das Krankenhaus und dann die Teststelle aufsuchen.
Wem das zu mühsam ist, kann in den drei Teststellen auch eine Selbstauskunft ablegen, die im Testzentrum vom zu Testenden unterschrieben wird. „Aber diese Selbsterklärung ist nicht bindend“, warnt die Pressesprecherin.
Es kommt also reichlich weitere Bürokratie auf die Teststellen-Mitarbeiter zu, und: „Wir müssen eine Tageskasse führen und Rechnungen schreiben“, sagt Weidensee, der mit dem Gedanken spielt – sofern rechtlich möglich – die Drei-Euro-Gebühr zu spenden.
Noch besteht Hoffnung auf kostenlose Tests
Das Chaos ist also perfekt. Trotzdem haben die Teststellenbetreiber eine kleine Hoffnung, doch noch auf die drei Euro pro Test verzichten zu können: Der Kreis lasse die Verordnung derzeit bei der Landesregierung prüfen, darüber sei man schriftlich informiert worden. Doch solange keine Rechtssicherheit herrscht, werden die drei Euro noch fällig. Skodell bringt auf den Punkt, was wohl viele derzeit denken: „Die neue Testverordnung ist absoluter Schwachsinn!“
Quelle: Recklinghäuser Zeitung