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Apokalyptische Bilder der Verwüstung sind in den Köpfen der Retter

Bilder wie diese aus der Stadt Swisttal, das von der Überflutung massiv getroffen wurde, haften im Gedächtnis der Retter. Foto: picture alliance/dpa

Emotional wie körperlich erschöpft kehrten Retter aus dem Krisengebiet heim nach Herten. Mitglieder des Patiententransportzugs 10 haben bei der Flutkatastrophe schlimme Dinge gesehen.

Ralph Hoffert hat in seinem Leben schon viele Orte des Schreckens gesehen. Der Chef des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Herten rettete Menschen aus dem Kosovo, als dort der Krieg wütete. Im Auftrag des internationalen Roten Kreuzes flog er nach Skopje in Mazedonien. „Da haben wir Flüchtlinge mit einer alten russischen Tupolev nach Karlsruhe ausgeflogen“, erzählt er. Auch als 2010 die Massenpanik bei Loveparade in Duisburg ausgebrochen war und 21 Menschen starben, war er vor Ort.

Bei Krisen automatisch in Alarmbereitschaft

Sein jetzige Einsatz bei der Flutkatastrophe kam nicht überraschend. „Man ist automatisch in Alarmbereitschaft, wenn so ein Ereignis eintritt“, sagt Ralph Hoffert. „Dann legt man sich die Kleidung zurecht, ehe man ins Bett geht und den Melder neben das Kopfkissen.“ Freitagfrüh gegen 2 Uhr ging der Alarm dann auch ein. Mit 20 Einsatzkräften von DRK, Arbeiter-Samariter-Bund, Malteser Hilfsdienst und Feuerwehr setzte sich der Patiententransportzugs 10 (PTZ 10) in Bewegung, um in Swisttal im Süden von NRW ein Altenheim zu evakuieren. 68 Bewohner wurden in andere Heime gebracht. Insgesamt mussten 2000 Menschen den Ort verlassen, da die Staumauer der Steinbachtalsperre zu brechen drohte.

Horrorszenarien mit menschenleeren Ortschaften

Unterwegs erlebten die DRK-Leute ein Horrorszenario. „Wie ein apokalyptischer Film: menschenleere Ortschaften ohne Licht oder Telefon, umgestürzte Autos, Lastwagen mitten in einem Feld, Schlamm …“, berichtet der DRK-Mann. Es sind Bilder, die immer wieder hochkommen, obwohl der Einsatz längst beendet ist.

Fast 20 Stunden waren die Retter aus Herten, Marl, Recklinghausen, Haltern, Castrop-Rauxel und Gladbeck auf den Beinen. Nach erfolgreicher Heim-Evakuierung harrten sie in Bonn auf dem Bereitstellungsplatz am Telekom Dome weiterer Einsätze. Die sonst übliche Versorgung der Retter mit Getränken und Essen funktionierte nicht. Zum Glück konnten die hungrigen Helfer sich bei einem nahen Burgerbrater stärken.

Wettlauf gegen die Akkulaufzeit der Beatmungsgeräte

„Bei unserem zweiten Einsatz in Rheinbach, wo wir eine Wohngruppe mit 19 Beatmungspatienten evakuierten, kam ein Coca-Cola-Fahrer, spendierte 120 Dosen Energiedrink.“ Eine willkommene Stärkung, die übernächtigten Retter arbeiteten unter Hochdruck. „Es gab keinen Strom und die Akkus der Beatmungsgeräte hatten nur noch drei Stunden Laufzeit.“

Nach 20 Stunden kamen die Helfer endlich daheim ins Bett – um wenig später erneut alarmiert zu werden. „Samstagmittag um 13 Uhr wurden wir gerufen. Doch wir kamen nur bis Oberhausen, dann wurden wir zurückgepfiffen.“ Dass noch mal eine Alarmierung erfolgt, sei nicht ausgeschlossen. „Die Wagen sind vollgetankt.“ Wahrscheinlich sei, dass die PTZ-10-Truppe bei der Rückverlegung der Menschen zum Einsatz kommt. „Aber bis dahin kann es dauern. Diese Flut wird lange nachwirken.“

Quelle: Recklinghäuser Zeitung